Jäger der verlorenen Ahnen


Berichte


Familienforschung kann auch schon mal sonderbar enden.


Im Herbst 2022 war ich mal wieder für unser alljährliches Ahnenforschungstreffen zu Besuch bei meinem Freund Piet im hohen Norden. Wir hatten etwas Leckeres beim Mexikaner in Flensburg bestellt und beim Abholen der Bestellung entdeckte ich an einem Laden in der Straße einen Familiennamen, der mir sehr bekannt vorkam, da er zu meiner mütterlichen Familienlinie gehört. Und jedes Mal wenn ich irgendwo einen bekannten Familiennamen lese, höre ich eine leise, fragende Stimme in meinem Kopf sagen:“ Ob das vielleicht entfernte Verwandtschaft ist? Soll ich da mal ein wenig recherchieren?“

Aber ich war kaum beim Mexikaner drinnen, da hatte ich diesen Gedanken leider auch schon wieder vergessen. Die leckeren Gerüche haben mich zu sehr abgelenkt.

Ich war mittlerweile schon wieder seit einigen Wochen zuhause, da fiel mir die Sache mit dem Familiennamen in Flensburg wieder ein.

Jetzt oder nie! Sonst wird das ja nie was.



Nach einer kurzen Recherche bei Onkel Google fand ich auch direkt die Kontaktdaten des Ladenbesitzers und habe ihn kurzerhand per Mail angeschrieben. In dieser Mail habe ich ihm erklärt, dass ich privat Familienforschung betreibe und ich zu klären versuche, ob es vielleicht eine entfernte Verwandtschaft zwischen ihm und mir gibt, da sein Familiennamen ebenfalls in einer meiner Linien vorkommt. Mit der zusätzlichen Frage, ob er mir vielleicht ein paar Informationen über die Herkunft seiner Familie geben könnte, ging die Mail dann auf die Reise.

Der Ladenbesitzer antwortetet auch direkt freundlich, womit ich eigentlich gar nicht gerechnet hatte und war sehr am Thema interessiert. Es gingen 2-3 Emails hin und her in denen er mir ein paar nähere Details über sein Familie mitteilte. In seiner letzten Mails hieß es:„Ich schau mal nach, ob ich Ihnen sonst noch weiterhelfen kann und freue mich über die Daten, die Sie herausgefunden haben.“

Ich hatte jetzt ein paar Daten als Grundlage für meine Recherche, der Ladenbesitzer war auch neugierig was ich so herausfinden würde, also legte ich los!

Mit zwei Buddeln Dithmarscher Urtyp bewaffnet, die ich noch bei meiner Rückreise vom Ahnentreffen ins Rheinland schmuggeln konnte, habe mich dann ein paar Stunden mit Archion vergnügt und dort diverser Kirchenbücher durchsucht. Nachdem ich dann zum Abschluss noch das halbe Internet für ein paar Zusatzinformationen durchforstet hatte, war es dann endlich soweit.

Ich hatte Klarheit.

Meine Nachforschungen brachten mir jetzt ein gutes und leider auch ein schlechtes Ergebnis.
Das gute Ergebnis war, dass ich die Vorfahren des Ladenbesitzers über die Kirchenbücher bis in das Jahr 1649 zurückverfolgen konnte und mir dadurch einen kleinen Stammbaum mit insgesamt 57 Personen zusammengesammelt hatte.

Das schlechte Ergebnis war, dass es leider keinen Verwandtschaft zwischen dem Ladenbesitzer und mir gab. Es handelte sich nur um eine rein zufällige Namensgleichheit, ohne das es irgend eine Verbindung zwischen den Familien gibt. Schade eigentlich!

Habe meine ersten Erkenntnisse auch direkt dem Ladenbesitzer mitgeteilt und ihm zugesichert, dass ich die gesammelten Daten nur noch sauber aufbereiten würde und ihm dann zukommen lassen.

Gesagt, getan … heraus kam eine 17seitige Mini-Familienchronik mit einer 57 Personen umfassenden Nachfahrenliste, die im Jahre 1649 beginnt und in der heutigen Zeit endet, einer Deutung des Familiennamen, sowie sämtlichen Quellenangaben und allen gefundenen Ausschnitte aus den Kirchenbüchern. Soweit so gut!

Und nun kommen wir an den Punkt, an dem das Ganze wohl vermutlich aus dem Ruder gelaufen ist.

Denn anstatt dem Ladenbesitzer einfach die Mini-Chronik als PDF-Datei per Mail zu schicken, hatte ich die, im Nachhinein gesehen, übereifrige Idee: „Mensch, Piet hat doch seit Neuestem eine Maschine für Quetschbindungen, wir drucken das Ganze jetzt aus und binden das schnell … sieht dann auch schicker aus“.

Nach kurzer Absprache mit Piet ging dann die PDF per Mail auf die Reise von Düsseldorf nach Schafflund.
Der Ausdruck und die Bindung im hohen Norden ging dann ganz schnell und das Endergebnis sah richtig gut aus.
Einige Tage später war Piet dann mal wieder in Flensburg unterwegs und hat dort auf einem Weg die gebundene Chronik bei einem Mitarbeiter im Laden abgegeben.

Der Chef war leider nicht persönlich da, was aber auch kein Problem war, da ich vorsorglich im Vorwort der Chronik erklärt hatte, warum es jetzt überraschenderweise eine gedruckte Ausgabe geworden ist, dass das Ganze total kostenlos ist und er also zu nichts verpflichtet ist. Mir war es sehr wichtig ihm zu vermitteln, dass es bei diese Aktion keine Hintergedanken oder Fallstricke gibt und es nur darum ging, ihm eine kleine Freude zu machen.

Projekt erledigt … alle glücklich!



Ich war natürlich neugierig und habe einen Tag später per Mail bei ihm nachgefragt, ob die Chronik bei ihm angekommen ist.

Habe nie eine Rückantwort bekommen!

Ein halbes Jahr später, habe ich den Ladenbesitzer aus einer Laune heraus noch einmal freundlich angeschrieben und erneut erklärt, dass ich bei der Aktion keine Hintergedanken hatte, es mir also nur darum ging ihm mit den Familiendaten eine Freude zu machen und das ich es schade finde, dass ein bis dahin freundlicher Kontakt ohne ersichtlichen Grund oder Feedback abgebrochen wurde.

Keine Antwort!

Einen zwischenzeitlichen Todesfall als Grund für das „Nichtantworten“ konnte ich ausschließen, der Ladenbesitzer ist noch gesund und munter.
Er hat wohl seine persönlichen Gründe, was natürlich schade ist.

Menschen sind schon manchmal komisch!